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Vorwort:

 

Meine Erfahrungen der letzten Jahre in verschiedenen Deutsch- und Schulabschlusskursen bei diversen Projekten und im "Zweiten Bildungsweg" der Münchner Volkshochschule zeigen, dass für die vielen Seiteneinsteiger oft zu wenig Zeit bleibt, ein komplettes Lehr- und Arbeitsbuch durchzuarbeiten.

Der Bedarf dieser Zielgruppe besteht eher aus einer gezielten Prüfungsvorbereitung, einer Art „Crashkurs“, in dem die einzelnen prüfungsrelevanten Kompetenzen im Fach Deutsch direkt eingeübt werden.

 

Bei der angesprochenen Zielgruppe handelt es sich nicht um ausländische Jugendliche, die einer bestimmten Form von Deutschkurs bedürfen Zum Beispiel: Integrationskurs, Orientierungskurs, Zertifikatskurs. Für diese Kurse bietet der Markt ausreichendes und vielfältiges Lernmaterial an.

Zielgruppe sind vielmehr vor allem diejenigen Jugendlichen, die in der Presse negative Schlagzeilen machen. Oft Jugendliche mit sogenanntem Migrationshintergrund, die seit einigen Jahren in Deutschland leben oder hier geboren sind, deren Sprachdefizite sich am treffendsten mit „doppelter Halbsprachigkeit“ beschreiben lassen. Jugendliche, die das Fach Deutsch nur im negativen Zusammenhang, verbunden mit schlechten Noten und „Versagen“, kennen.

Bei solchen schwer motivierbaren Lernern ist es doppelt wichtig, durch ansprechende, jugendgerechte und originelle Texte - auch mit interkulturellen Akzenten -  die Aufmerksamkeit zu gewinnen.

 

Ansprechende Texte und Themen, die mit der eigenen Lebenswelt einen Zusammenhang haben, helfen, die Mutlosigkeit und Frustration bezüglich der eigenen Sprachdefizite und den damit verbundenen gemachten negativen Erfahrungen überwinden.

Dabei ist die inhaltliche und gedankliche Beschäftigung mit der jeweiligen Thematik der erste Schritt zur Auseinandersetzung mit den eigenen sprachlichen Schwächen und letztlich der Weg zu deren Überwindung.

„Jugendgerechte“ Texte in so manchen Lehrbüchern, hinter denen der moralische Zeigefinger erhoben ist, - zum Beispiel: „Rauchen ist tödlich“, „Drogen sind gefährlich“, „Alkohol macht abhängig“ - langweilen, sind in ihrer Aussage vorhersehbar und zu manipulativ. Schüler werden in ihrer Meinungsbildung zu sehr festgelegt und ziehen sich innerlich zurück.

Eine wünschenswerte differenziertere Betrachtungsweise der Thematik  wird dabei unmöglich und ein Interesse baut sich nicht auf.

 

Die Texte in diesem Buch basieren zum Teil auf überarbeiteten Zeitungsartikeln über aktuelle Ereignisse aus der Münchner Tagespresse („Karriere nach unten“), auf umwelt- und verbraucherschutzbezogenen Themen (z. B. Manipulation im Supermarkt) sowie auf kurzen literarischen Textformen („Der gute Mensch am Höllentor“ 16. Jahrhundert) mit aktuellem Gegenwartsbezug.

Auch selbst recherchierte Fragestellungen mit konkreten Ergebnissen (Wie Mobiltelefone die Kommunikation verändern oder wie unglücklich Geld und Lottogewinne die Menschen machen können), sind Grundlage für die Texte.

 

Wie lassen sich die Texteinheiten verwenden?

Sie können als gezielte Prüfungsvorbereitung speziell für Textarbeit mit Text- und Arbeitsaufträgen mit freier und mehr vorgabeorientierter Textproduktion eingesetzt werden. Textarbeit ist sowohl bei allen Formen von Sprachkursen als auch in den Deutschprüfungen aller Bundesländer von zentraler Bedeutung.

Das Phänomen „Deutsch als Zweitsprache“ spielt dabei eine wichtige Rolle.

Im Gegensatz zu einer Fremdsprache ist eine Zweitsprache eine Sprache, die in der sozialen Umgebung erworben wird und auch gleichzeitig angewendet werden muss. Beim Zweitspracherwerb sind affektive und emotionale Faktoren von besonderer Bedeutung. Das heißt, eigene Lebenserfahrungen –positive wie negative – Wünsche, Enttäuschungen und andere Gefühle beeinflussen den Lernprozess stark. Vor dem Hintergrund ergeben ansprechende Texte einen Sinn.

Überdies wird etwa in Bayern bei Migrantenjugendlichen zwischen „Erst- und Zweitsprachlern“ unterschieden. Das heißt, dass ausländische Jugendliche, die weniger als sechs Jahre eine deutsche Schule besucht haben, in den Hauptschulen etwas einfachere Deutschprüfungen mit mehr vorgabeorientierter Textproduktion ablegen müssen.

Dieser Unterscheidung wird bei den Arbeitsaufträgen aller Texte Rechnung getragen.

Die Zielgruppe sind, wie schon ausgeführt, in erster Linie Migrantenjugendliche, die sich entweder erst seit kurzer Zeit in Deutschland aufhalten („Zweitsprachler“) oder solche, die hier geboren sind („Erstsprachler“).

Für diese Jugendlichen, die sich auf eine Abschlussprüfung der Hauptschule (qualifizierender oder einfacher Hauptschulabschluss) im Fach Deutsch vorbereiten müssen, meistens vor dem Hintergrund, eine Ausbildung beginnen zu wollen, sind diese Texte gut geeignet. Nicht zuletzt auch deshalb, weil sie in ihrer Struktur und Form dem gängigen Schema und den aktuellen Anforderungen von Deutschprüfungen entsprechen.

Neben der Möglichkeit, die Materialien zur gezielten Prüfungsvorbereitung einzusetzen, sind die Texte auch sehr gut bei Deutschkursen aller Art für Migranten einsetzbar. So lässt sich diese Zielgruppe allmählich an die Arbeit und Beschäftigung mit Texten und der Bearbeitung von Arbeitsaufträgen im Rahmen von Textarbeit heranführen.

Die Textmaterialien können auch in allen Fällen im Selbststudium eingesetzt werden. Die beigefügten Lösungsvorschläge ermöglichen eine selbstständige Kontrolle der Arbeitsaufträge.

 

Ein methodischer Hinweis für Kursleiter, Dozenten oder Lehrer, die mit den Texten arbeiten: Es ist unerlässlich, zunächst immer einen Einstieg in die jeweilige Thematik des Textes zu finden und sich Zeit für Gespräch und Diskussionen zu nehmen. Ein entscheidendes Merkmal origineller, motivierender Themen ist ja, die lernende Zielgruppe aus der Reserve zu locken und sie eigene Ideen und Vorstellungen entwickeln zu lassen. Daraus speist sich dann die Energie, eine unterentwickelte Fähigkeit neu zu erlernen: sich längere Zeit gründlicher auf eine Thematik einzulassen, präzise Fragen dazu beantworten zu können und dabei die eigenen Sprachdefizite abzubauen.

Die Themenstellungen der einzelnen Einheiten bieten auch sehr gute Möglichkeiten, weiterführende Gespräche innerhalb der Lerngruppe zu führen. Es finden sich daher am Ende der einzelnen Texteinheiten Vorschläge für Fragestellungen und Gesprächsanlässe über die jeweilige Thematik.