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Vorwort:

 

Diese Geschichte soll keinesfalls Klischees über in Deutschland lebende Ausländer
bedienen, wie sie von bestimmten politischen Gruppierungen gern verbreitet werden.
Etwa: Rückständige, extrem religiöse Türken zwingen ihre Kinder dazu, nach
überholten Traditionen zu leben. Leider gibt es auch einige Filme, die extreme,
archaische Bräuche wie  Blutrache und Ehrenmorde einer radikalen ausländischen
Minderheit in reißerischer Art und Weise konzentriert darstellen und so ein völlig
falsches Bilder der Ausländer oder der Türken vermitteln.

 

Die Türkei ist ein wunderschönes Land, ein junges Land – der Altersdurchschnitt der Türken liegt bei 29 Jahren – mit herzlichen und gastfreundlichen Menschen, die ihr Leben mit gekonntem Savoir-Vivre genießen wollen und sich gegen die zunehmende Beschneidung ihrer Persönlichkeitsrechte durch regierende Politiker zur Wehr setzen.
Die Problematik in dieser Geschichte hat jedoch weniger mit der Türkei als mit den Bedingungen zu tun, die durch Emigration türkischer Arbeiter in Deutschland entstehen.


Migration führt oft zu zerrütteten und zerrissenen Familienverhältnissen, zu Einsamkeit und Ghettoisierung. Davon handelt der Roman, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Es geht darin auch um die Zwangsheirat von einem jungen Mann. Eine Problematik, die in der deutschen Öffentlichkeit nur in Verbindung mit Mädchen bekannt ist.
Diese  Art der „Eheanbahnung“ – Zwangsehe bei einem jungen Mann – ist sicherlich nicht repräsentativ für die inzwischen in der dritten Generation hier lebenden Türken, sondern ein besonders krasses Beispiel für eine autoritäre Vaterfigur, die ihren Sohn in geradezu paranoider Weise vor den Gefahren der Aufnahmegesellschaft „schützen“ will.


Repräsentativ sind eher die Bedingungen, unter denen viele, besonders ungelernte türkische (Hilfs)Arbeiter und ihre Angehörigen in Deutschland leben.
Oft kennzeichnen elende Wohnverhältnisse, schlechte Arbeitsbedingungen und fehlende Sprachkenntnisse ihre Situation.


Häufig kommt ein Elternteil  nach Deutschland – meist der Vater – mit der Illusion, hier ein paar Jahre zu leben, um einen für eine größere Anschaffung benötigten Kredit aufzunehmen und abzuarbeiten. Bald zeigt sich jedoch, dass neben den Kreditraten mit hohen Zinsen auch das teure Leben in Deutschland finanziert werden will. Und so wird aus den geplanten wenigen Jahren oft ein ganzes Leben bis zum Rentenalter.


Das Gesetz über den Familiennachzug tut dann ein Übriges. Jugendliche ab 16 Jahren benötigen eine Aufenthaltserlaubnis. Das führt häufig dazu, dass Kinder nachgeholt werden, kurz bevor sie das Alter erreichen. Ein etwa 16-jähriger Jugendlicher, der emigriert, wird immer aus einem Bildungs- und Lebensweg herausgerissen, lässt seine Familienmitglieder, bei denen er aufgewachsen ist, zurück und bricht schlagartig den Kontakt zu seinem Freundeskreis und sozialem Umfeld ab. Über Nacht verliert er auch seine Sprache.


Elternteile, die jahrelang in Deutschland leben und ihre Kinder dann nachholen, sind für diese Jugendlichen eigentlich Fremde, die sie nur von ein paar Urlaubswochen in der Heimat her kennen. Die vom Gesetzgeber geplante Familienzusammenführung bringt  zwar dann einzelne Familienmitglieder verschiedener Generationen zusammen, sie sind einander  jedoch oft völlig fremd. Die Elternteile versuchen dann, ihre Unsicherheit  ihren nachgeholten Kindern gegenüber mit ausgeprägt autoritärem Verhalten zu kompensieren.
Der Roman erzählt die dramatische Geschichte eines emigrierten jungen Türken, der mit seinem ihm völlig unbekannten Vater auf engstem Raum zusammenleben muss und unter den geschilderten Bedingungen bis zum Äußersten darum kämpft, sein Leben in den Griff zu bekommen.